Hannover hat die Wahl: Geflüchtete willkommen heißen – Teilhabe ermöglichen!
Am 12. September 2021 finden in Niedersachsen Kommunalwahlen statt. Und obwohl viele Entscheidungen über die asyl- und aufenthaltsrechtlichen Rahmenbedingungen für geflüchtete Menschen auf europäischer und Bundes- oder Landesebene getroffen werden, haben auch die Kommunen wichtige Entscheidungskompetenzen vor Ort.
Hannover hat die Wahl!
Da Geflüchtete selbst kein Wahlrecht haben, ist es umso wichtiger, dass sich wahlberechtigte Menschen in Niedersachsen und in Hannover ein Bild machen können über die flüchtlingspolitischen Positionen der Parteien. Denn nur so können sie mit ihrer Stimme ein Zeichen setzen für eine humanitäre Flüchtlingspolitik und faire Aufnahme- und Unterbringungsbedingungen.
Als Unterstützerkreis Flüchtlingsunterkünfte Hannover e.V. (UFU) haben wir stellvertretend für die Geflüchteten und für die vielen ehrenamtlichen Unterstützer*innen den Vertreter*innen der demokratischen Parteien die wichtigsten Fragen zu den Themen Flucht und Asyl in Hannover gestellt. Gefragt haben wir,die Parteien, die als Mitglieder am Runden Tisch für Gleichberechtigung und gegen Rassismus teilnehmen. Das sind folgende:
Alle haben geantwortet, wofür wir uns sehr bedanken.
Damit Sie sich ein Bild von den Antworten der jeweiligen Parteien machen können, haben wir diese – unseren Fragen entsprechend – gegenübergestellt. Spannend – schauen Sie mal rein! (Am unteren Ende dieser Seite finden Sie einen Download-Link zu allen Antworten als PDF)
Ein Welcome-Center für Hannover
Geflüchtete müssen in hohem Maße bei Behörden vorstellig werden. Dazu gehören u.a. das Jobcenter, die Ausländerbehörde, das Wohnungsamt und das Sozialamt. Die Vielzahl der Behörden und ihre unterschiedlichen Anforderungen stellen für diese Menschen eine große Herausforderung dar, nicht zuletzt deshalb, weil Informationen in jeder Behörde wieder neu erhoben werden und es einen Austausch untereinander nur in Ausnahmefällen gibt. Alle diese Behörden klagen zudem über Überlastung ihrer Mitarbeiter. Es kommt zu Verzögerungen in der Bearbeitung dringender Fälle, weil keine Termine zu bekommen sind oder Vorgänge liegen bleiben müssen. Diese Abläufe könnten auch für die Verwaltung sicher effizienter gestaltet werden.
Eine Lösung ist hier die Einrichtung eines Welcome-Centers, in dem für Geflüchtete (oder Neuzugezogene) eine Bearbeitung aus einer Hand vorgenommen werden kann. Die Idee, die auch bereits in der Stadtverwaltung diskutiert wird, ist, eine solche zentrale Anlaufstelle in der Ausländerbehörde einzurichten, in dem auch das Integrationsmanagement der Stadt Hannover z. B. als Verwaltungslotsen angesiedelt sein könnte.
Dazu haben wir folgende Fragen:
- Wie wollen Sie Verwaltungsabläufe zumutbarer und praktikabler gestalten?
- Wie stehen Sie zu der Idee, die Ausländerbehörde zu einem Welcome-Center (z. B. nach Vorbild des Welcome-Centers der Region Hannover) umzugestalten, bei dem alle Anliegen der Geflüchteten oder anderer Neuzugezogenen beraten und bearbeitet werden können?
Gute Bildung für alle
Bildung ist der Schlüssel für eine eigenständige persönliche Entwicklung, für ein selbstbestimmtes Leben, für Integration und Teilhabe. Dennoch hängt der Bildungserfolg in Deutschland maßgeblich von der Herkunft ab: Kinder und Jugendliche aus bildungsfernen Haushalten haben in Deutschland deutlich schlechtere Erfolgschancen in der Schule als Kinder und Jugendliche aus Akademikerfamilien. Ebenfalls häufig benachteiligt sind Familien mit Migrationshintergrund und geflüchtete Kinder und Jugendliche.
Dabei ist insbesondere das Lernen in den Gemeinschaftsunterkünften eine große Herausforderung wegen der räumlichen Enge, der fehlenden WLAN-Infrastruktur, den fehlenden Endgeräten sowie der z.T. mangelnden IT- und Medienkompetenz.
Auch erwachsene Geflüchtete möchten gerne lernen, um in unserer Gesellschaft anzukommen, Fuß zu fassen und ein eigenständiges Leben zu führen. Dabei sind sich alle einig, dass das Erlernen der deutschen Sprache ein Schlüssel zur Integration ist. Dieser Schritt der Teilnahme an Integrationskursen und berufsbezogener Deutschsprach-Förderung ist vielen jedoch verwehrt, da die Landesregierung Landesmittel gestrichen hat.
Insgesamt gibt es nicht mehr genügend Kapazitäten für spezifische Integrations- und Sprachkurse (wie Alphabetisierungskurse oder Sprachkurse mit Kinderbetreuung).
Der Zugang zu frühkindlichen Bildungs- und Betreuungsangeboten für geflüchtete Kinder ist nur schwer erreichbar, obwohl deren Wirksamkeit eindeutig nachgewiesen ist.
Dazu haben wir folgende Fragen:
- Was möchte Ihre Partei tun, um sozial benachteiligten Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen eine faire Chance zur Teilhabe an unserer Stadtgesellschaft zu geben?
- Was möchten Sie tun, um die schulische Situation von Kindern und Jugendlichen aus benachteiligten Familien nachhaltig zu verbessern?
- Wie möchten Sie die zusätzlichen Defizite, die sich durch die corona-bedingten schulischen Einschränkungen ergeben, ausgleichen und für die Zukunft verhindern?
- Was kann die Kommune tun, um die Defizite der Finanzierung von Sprachkursen auszugleichen?
- Welche Möglichkeiten sehen Sie, die besonderen Fähigkeiten der Geflüchteten, wie z.B. Mehrsprachigkeit besser zur Geltung zu bringen?
Einstieg in den Beruf fördern
Junge Menschen wollen in ihrem Leben etwas erreichen. Sie möchten erfolgreich sein und das Beste aus ihrem Leben machen. Obwohl Geflüchtete gerne arbeiten oder eine Ausbildung machen wollen, bestehen umfassende rechtliche Einschränkungen und praktische Hindernisse beim Zugang zum Arbeitsmarkt.
Sehr viele 16- bis 21-jährige Geflüchtete sehen die Notwendigkeit für eine solide Ausbildung und möchten dafür gerne ihren Schulabschluss nachholen. Adäquate Be-schulungsangebote fehlen jedoch. Eine sichere Aufenthaltsperspektive ist oftmals davon abhängig. Der Schlüssel zu gelungener Integration ist neben der Beherrschung der deutschen Sprache insbesondere für junge Menschen eine gute Ausbildung zum Einstieg in ein Erwerbsleben. Ein durch eigene Arbeit finanziertes Leben von Geflüchteten entlastet unsere Sozialsysteme und bereichert die Stadtgesellschaft.
Dazu haben wir folgende Fragen:
- Wie wollen Sie möglichst allen geflüchteten Jugendlichen und jungen Erwachsenen einen Schulabschluss ermöglichen?
- Wie wollen Sie der hohen Durchfallquote von Geflüchteten bei der Ab-schlussprüfung in der Berufsausbildung entgegenwirken?
- Wie können Sie darauf einwirken, dass die durch Corona noch ver-stärkt zutage getretenen Bildungsbenachteiligungen so berück-sichtigt werden, dass sie sich nicht nachteilig auf eine sichere Aufenthaltsperspektive auswirken?
Nutzungsgebühren sozial gerecht gestalten
Seit dem 1. August 2020 werden für die Unterbringung von Geflüchteten und Obdachlosen Nutzungsgebühren erhoben, die die ortsüblichen Vergleichsmieten deutlich übersteigen. Dies ist insbesondere für integrationswillige Geflüchtete, die ihren Unterhalt selbst finanzieren, ein starker Rückschlag. Oft sind sie durch die hohen Gebühren von 411 € wieder auf Transferleistungen angewiesen, was ihre Motivation untergräbt und ihre Bleibeperspektive verschlechtert.
Zudem gibt es durch die neue Satzung Auswirkungen, die soziale Härten hervorrufen:
- Durch die schleppende Zustellung der Gebührenbescheide, sind viele Geflüchtete ohne eigenes Verschulden in eine Schuldenfalle getappt.
- Geringverdienern mit einem Nettoeinkommen unter 718 € wird eine Ermäßigung der Gebühren verwehrt, darüber wird sie bis 1.300 € Nettoeinkommen jedoch eingeräumt.
- Für mehrköpfigen Familien, die gemeinsam untergebracht sind und bei denen jede Person ein eigenes Einkommen hat, gibt es keine Staffelgebühren. Jede Person muss den vollen Betrag von 411 € entrichten.
- Schlichtwohnungen sind von einer Ermäßigung der Gebühren ausgeschlossen.
- Abtretungserklärungen enthalten Pfändungsrechte ohne Pfändungsfreigrenzen.
Unsere Frage: Was werden Sie tun, um diese sozialen Härten abzubauen?
Wohnen in der eigenen Wohnung fördern
Eine eigene Wohnung zu bewohnen, bedeutet Teilhabe und Integration im Wohnquartier. Es bedeutet aber auch Ankommen, Planungssicherheit und letztendlich Heimatgefühl.
Geflüchtete müssen in Hannover nach wie vor überwiegend in Gemeinschaftsunterkünften oder städtischen Wohnprojekten leben. Gestatteten oder Geduldeten ist der Zugang zu eigenem Wohnraum kaum möglich, selbst wenn sie in Arbeit oder Ausbildung stehen. Oft müssen sogar Geflüchtete mit Aufenthaltstitel in Gemeinschaftsunterkünften verbeiben, weil sie keinen anderen Wohnraum finden und von Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt betroffen sind.
Dazu haben wir folgende Fragen:
- Welche Maßnahmen schlagen Sie vor, um die Wohnungssituation für Geflüchtete in Hannover zu verbessern?
- Werden Sie nach der Wahl Maßnahmen ergreifen, um mehr Wohnraum für sozial Schwache zu fördern?
- Wenn ja, wie werden Sie sicherstellen, dass auch Geflüchtete daran partizipieren?
Unterstützung der ehrenamtlichen Arbeit in Hannover
Ehrenamtliche Unterstützer*innen sind maßgeblich an gelingender Integration beteiligt. Das haben Untersuchungen ergeben (z.B. VHW/DESI: Entwicklung und Nachhaltigkeit von Willkommensinitiativen, 2019 oder INBAS Sozialforschung: Kooperation von Haupt- und Ehrenamtlichen in der Arbeit mit Geflüchteten, 2018). Das betrifft vor allem die Bereiche Spracherwerb, Vermittlung zu Behörden, Arbeitsmarktintegration usw. Dabei sind die ehrenamtlich tätigen Menschen in der Lage, viele Lücken zu füllen, die im öffentlichen Bereich bestehen und eine sehr individuelle Betreuung vorzunehmen, die die öffentlichen Institutionen niemals leisten könnten. Nicht zuletzt trägt der persönliche Kontakt zu einem gesellschaftlichen Ankommen in Hannover bei. Was jedoch fehlt, ist eine Verstetigung bestehender erfolgreicher hauptamtlicher Unterstützung und seit dem Wegfall der Landesmittel eine ausreichende Auslagenerstattung für Ehrenamtliche.
Unsere Frage: Wie wollen Sie das erfolgreiche Ehrenamt in der Geflüchtetenarbeit unterstützen?
Ombudsstelle: Anlaufstelle für Geflüchtete und ihre Unterstützer:innen
Geflüchtete Frauen, Kinder und Männer, die bei uns Schutz suchen, befinden sich häufig in Situationen mit großen Machtungleichgewichten und geraten dadurch leicht in Notlagen, aus denen sie allein nur schwer herausfinden. Als vulnerable, besonders schutzbedürftige Gruppe und unabhängig davon, ob sie in Gemeinschaftsunterkünften oder eigenen Wohnungen untergebracht sind, sehen sie sich im Alltag immer wieder diskriminierend und ungerecht behandelt. Vertrauenswürdige Ansprechpartner:innen und Schutzmechanismen sind deshalb für die Betroffenen besonders wichtig.
So könnten Ombudspersonen als unabhängige Vertrauenspersonen den Beschwerden nachgehen, um eine ungerechte Behandlung von Personengruppen zu verhindern. Eine unabhängige Anlaufstelle, die Hinweisen von Flüchtlingen wie auch von Ehrenamtlichen und anderen nachgeht, kann hier eine wichtige Schutzfunktion übernehmen. Ihr Ziel wäre es, gravierende Fälle von Gewalt, sexuellen Übergriffen, Diskriminierung und Verstöße gegen die Menschenwürde aufzunehmen, vertraulich zu behandeln, Hilfe zu vermitteln und der Politik zu berichten. Sie haben dabei die Bedürfnisse der Personen im Blick, deren Belange als Gruppe infolge eines fehlenden Sprachrohrs ansonsten wenig beachtet würden. Eine solche Anlaufstelle kann zum Beispiel eine Ombudsstelle nach Kölner Vorbild sein.
Flüchtlinge brauchen Schutz!
Unsere Frage: Wie bewertet Ihre Partei eine unabhängige Ombudsstelle und würden Sie sich dafür einsetzen, diese in Hannover zu etablieren
Neue Ideen zur Integration
Unsere Erfahrung ist: Integration passiert nicht von alleine. Anfängliche Unterstützung bei den ersten Schritten in unsere Gesellschaft bis zur Hilfe zur Selbsthilfe sind wichtige Bausteine auf dem langen Weg zu einem wirklichen Ankommen und Zuhause fühlen in unserer Gesellschaft. Diesen kontinuierlichen Prozess begleiten wir seit nunmehr acht Jahren. Viele neue Projekte sind dabei entstanden und konnten umgesetzt werden.
Deshalb sind wir auch für neue Ideen offen, die die Integration und Teilhabe der Geflüchteten in unsere Stadtgesellschaft fördern.
Welche Ideen haben Sie?
Wenn Sie alle Fragen und Antworten als PDF herunterladen möchten. Dann klicken Sie auf folgenden Link: